COMPUTERWOCHE Nr. 7 vom 14. Februar 1997 / Seite: 29-30

Umsatzsteigerung um elf Prozent im ersten Quartal

SNI trimmt die Server und setzt auf Servicegeschäft


DUBLIN (kk) - Vor einem Jahr brach die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) mit dem Schlagwort vom "User Centered Computing" auf, das Logo mit dem türkisfarbenen Trennstrich auch außerhalb von Deutschland und Europa bekannt zu machen. SNI (Jahresumsatz 13,6 Milliarden Mark) präsentierte sich in Dublin als Allround-Anbieter ê la IBM oder Hewlett-Packard.

Derzeit ist das Unternehmen allerdings noch weit davon entfernt, die bis zum Jahr 2000 angestrebte Aufteilung beim Umsatz - je ein Drittel aus Deutschland, Europa und dem Rest der Welt - zu erzielen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr kamen mehr als 60 Prozent des Gesamtumsatzes aus Inlandsverkäufen. Das US-Geschäft beispielsweise stagniert bei Einnahmen in Höhe von 500 Millionen Dollar. Dennoch scheint sich die Internationalisierung zu lohnen, sowohl beim Umsatz als auch beim Auftragseingang erreichte SNI im Auslandsgeschäft deutlich höhere Wachstumsraten als im Inland.

Die Fokussierung auf den Benutzer und nicht auf die Technik sei, so SNI-Vorstandsmitglied Peter Pagé, mittlerweile von allen Geschäftsbereichen umgesetzt worden. Offenbar zahlt sich dieser Ansatz aus: Im ersten Vierteljahr des Geschäftsjahres 1996/97 stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr (2,9 Milliarden Mark) um elf Prozent auf 3,3 Milliarden Mark. Der Auftragseingang erhöhte sich von 3,1 Milliarden auf 3,6 Milliarden Mark - 17 Prozent mehr als im entsprechenden Vorjahrsquartal.

SNI sieht den Anwender der Zukunft am komplett vernetzten Arbeitsplatz-Rechner, wobei dies ein High-end-PC, ein Notebook oder ein Netz-PC sein kann. So wird man auf der CeBIT beispielsweise den modular aufgebauten "Scenic Pro Net 2" sehen können, SNIs Antwort auf den Streit um Sinn und Unsinn des Net-PCs (siehe CW Nr. 6 vom 7. Februar 1997, Seite 6: "SNI setzt weiter auf Marktführer..."). Das Basisgerät für 1200 Mark läßt sich um allerlei Peripherie erweitern: Festplatte, CD-ROM-Laufwerk, Floppy-Disk, Telefon- oder Videoadapter und Chipkartenleser können zugekauft werden.

Die ebenfalls aus austauschbaren Komponenten bestehenden Notebooks "Scenic Mobile 500" und "700" arbeiten mit Intels MMX-Prozessoren (150 und 166 Megahertz), die sich auch in bereits ausgelieferte Mobilrechner einbauen lassen. Beim Topmodell kann der Kunde ein abnehmbares Display mit Super-VGA-Auflösung wählen, das, auf einen Overhead-Projektor gelegt, Präsentationen aus dem PC heraus erlaubt. Für die Desktop-PCs "Scenic Pro C", "D" und "M" bietet der Hersteller umfangreiche Schutzvorkehrungen an: Benutzerzugangsschutz und -identifikation, Login-Verfahren mittels Smartcards, Datenverschlüsselung sowie ein externer Chipkartenleser sollen die Rechner auch für das sichere Online-Geschäft tauglich machen.

Die bestehenden Modellreihen der NT-Server wurden erweitert. "Primergy 360" mit Dual-Pentium-Pro ist für kleine bis mittlere Anforderungen gedacht. Der "Primergy 752", ebenfalls mit bis zu zwei CPUs, kann als Kommunikations- und Administrations-Server in 19-Zoll-Racks eingebaut werden. Passend dafür gibt es die Erweiterungseinheit "Primergy 701" für Bandlaufwerke und optische Speicher.

In den "RM"-Unix-Servern der 400er und 600er Serie hat der RISC-Chip "R10000" von SGI/ Mips Einzug gehalten. Das neue Flaggschiff, "RM400-90C", kann vier 64-Bit-Prozessoren (200 Megahertz) aufnehmen und ist mit Cluster-Bus-Technik und Ausfallschutz ausgestattet.

Die Enterprise-Server "RM600E", ebenfalls mit dem R10000-Chip, bedienen nach SNI-Angaben bis zu 3000 Benutzer und arbeiten mit cc:Numa-Architektur aus den eigenen Labors. Den Quadro-CPU-Boards wurde ein zweistufiges Bussystem verpaßt: Der Cluster-Bus verbindet die vier Prozessoren auf der Karte und soll eine Durchsatzrate von bis zu 600 MB/s erreichen. Der 128 Bit breite Synchronous Pipelined Bus (SP-Bus) verbindet maximal sechs Prozessorkarten und transferiert Daten mit bis zu 800 MB/s. Das Ein-Ausgabe-System "Hios" nutzt schnelle Bussysteme wie ATM für den Direktanschluß von Peripherie.

SNI, das in den Primergy-Rechnern Tandems "Servernet"-Technik für schnelle I/O-Ausgabe als OEM-Produkt einsetzt, arbeitet mit diesem Hersteller an einer Verbesserung der Performance. Den Münchnern schwebt ein Kombiprodukt aus Servernet und der aus der massiv-parallelen Rechnerwelt stammenden Mesh-Technik vor. Das Know-how über die vermaschten Rechnerarchitekturen kam mit der im vergangenen Jahr komplett übernommenen US-Tochter Pyramid ins Haus.

Mit Server Shield auf Wolfpack warten

Nach Aussage von Peter Kroll, Produkt-Manager bei SNI in Augsburg, will man das Beste aus beiden Welten für schnelle Verbindungen zwischen Cluster-Knoten nutzen. Ein kombiniertes "Server-Mesh" könnte mit Durchsatzraten von 300 bis 500 MB/s aufwarten und würde die Servernet-Rate von 200 MB/s deutlich übertreffen. Die schnelle Verbindung soll mit Phase II von Microsofts Wolfpack zusammenarbeiten, die für Mitte nächsten Jahres geplant ist und einen Rechnerverbund aus bis zu 16 SMP-Knoten erlauben wird.

Derzeit wartet die DV-Gemeinde allerdings noch auf Phase I der Microsoft-Lösung, die die Verbindung zweier Rechner zu einem ausfallsicheren System erlaubt. SNI hat, wie andere Hersteller auch, eine eigene Version zum Clustern von NT-Rechnern entwickelt. "Server Shield" befindet sich im Anwendungstest und wird nach Aussagen von Kroll demnächst verfügbar sein.

Die Lösung wird auf zwei Servern installiert. Der Haupt-Server, beispielsweise ein Datenbank-Server für R/3, hat Zugang zu den externen Massenspeichern. Der Neben-Server, im Beispiel ein R/3-Applikationsserver, springt ein, wenn Server 1 ausfällt: Server Shield beendet die Applikationen auf Rechner 2 und startet die Datenbank. Der IT-Manager kann danach entscheiden, ob er die Applikationen - zu Lasten der Performance - zusätzlich starten oder den ersten Server flottmachen will. SNI betrachtet Server Shield als Interimslösung, bis Microsoft Wolfpack auf den Markt bringt. Der Umstieg soll möglich, aber nicht kostenlos sein.

SR2000: Der Welt erster Mainframe auf RISC-Basis

In Dublin zu sehen war auch der Welt erster Mainframe auf Basis von RISC-Prozessoren, der "SR2000", Codename "Sunrise". SNI hat dazu ihr Betriebssystem BS2000 auf den Mips-Chip portiert und lockt Anwender zum Umstieg auf die kostengünstiger zu produzierenden Mainframes mit der Garantie, daß nicht nur ihre Anwendungen unverändert ablaufen würden, sondern auch einige Programme und Middleware aus der Unix-Welt zu verwenden seien. So soll neben R/2 ab dem zweiten Quartal auch R/3 für die SR2000 verfügbar sein.

Verhängnisvoll könnte sich allerdings auswirken, daß Microsoft in Zukunft Mips als CPU-Plattform für NT nicht mehr unterstützen will. Die Münchner wären dadurch im mittleren und oberen Leistungsbereich der Entscheidungsfreiheit in puncto Betriebssystem beraubt. Als Alternative böte sich nur ein Umstieg auf eine andere (RISC-)Architektur für Unix-Rechner und Mainframes an.

Dennoch hält das SNI-Management die MS-Flagge hoch und darf auf den Microsoft Developers Days die Entwicklungsplattform "Comunity" präsentieren. Comunity erlaubt die Wiederverwendung von Softwarekomponenten, die mit definierten Schnittstellen versehen ("eingekapselt") werden und sich so beliebig kombinieren lassen. Die Software-Architektur nutzt das Distributed Component Model (DCOM) sowie OLE-Technik der Amerikaner und soll demnächst auch deren "Active-X"-Technologie für Internet-Applikationen einsetzen. Mittlerweile wurde auch das betriebswirtschaftliche Paket "ALX-Comet" unter das Dach von Comunity geholt.

IT-Manager kämpfen mit der Frage, wie sich die neuen Internet-, Intranet- und Extranet-Technologien in bestehende DV-Landschaften integrieren lassen - oft kein leichtes Unterfangen, wenn dabei Unternehmensstrukturen verändert werden müssen. SNI hat für diesen lukrativen Bereich die Geschäftsgebiete für Lösungen (vertikale Märkte) und Services etabliert, die als externe Dienstleister Gesamtkonzepte anbieten.

Das Lösungs- und Servicegeschäft gilt den Münchnern als die Sparte mit dem größten Wachstumspotential. Ziel ist es, den Anteil am Gesamtumsatz von derzeit rund 36 Prozent auf 50 Prozent auszuweiten. Der Teilbereich IT-Services ist mit einem Umsatz von 2,8 Milliarden Mark im abgelaufenen Geschäftsjahr SNIs größte Dienstleistungseinheit. Knapp ein Viertel der weltweit 34 100 Mitarbeiter sind dort beschäftigt.

SNI hält in diesem Bereich in Deutschland die Spitzenposition, in Europa sei man die Nummer drei, erklärte Friedrich Fröschl. Er ist Mitglied der SNI-Geschäftsführung und verantwortlich für den Bereich Business Services, die gemeinsame Outsourcing-Tochter von SNI und der Muttergesellschaft Siemens AG. Auch auf dem neuen Gebiet des Facility-Managements - Betriebsführung, Optimierung und Wartung der kundeneigenen IT-Ausstattung - strebt SNI bis zum Jahr 2000 eine Topposition an.

Für das Internet-Geschäft etablierten die Münchner die Advanced Services & Media (ASM) als eine von vier Abteilungen der Business Services. Die 150 Mann starke Truppe um Klaus Hommer soll insbesondere großen und mittelständischen Unternehmen Komplettlösungen für das Online-Geschäft anbieten. Mit Broadvision als strategischem Partner wurde der virtuelle Business-Park "Entropolis" für den elektronischen Handel realisiert.


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